Wenn ich in Linz mit der Bim in die Stadt fahre (statt Auto) oder es schaffe, mir das grüngewaschene Klimakiller-Gewandstück nicht zu kaufen, hab ich so einen kleinen Kick. Ich fühl mich großartig mit meinem Rettungsgefühl: fürs Klima, gegen soziale Ausbeutung, usw. Dieses gute Gefühl stellt sich immer dann ein, wenn ich etwas aus meiner Sicht Weltschädliches unterlassen habe. Dass es eventuell für die Transformation nicht reicht, jedes zweite mal aufs Auto zu verzichten und statt fünf T-Shirts nur zwei zu kaufen, wird mir zunehmend bewusst. Der Kick ist natürlich damit weg und ich hab meine Psyche um einen Ausstieg gebracht, der Frust und Wut ob Klimakrise und Biodiversitätsverlust besänftigt. Wieso ist das eigentlich so? Die Psyche hilft bei der Bewältigung von unangenehmen Gefühlen nämlich aus, wie ich vor kurzem in einem Webinar von Psychologists for Future gelernt habe. Sie trickst mit etwas Schlauem: Singe Action Bias.
Single Action Bias = Eine einzige klimafreundliche Handlung genügt, um uns bei unangenehmen Klimagefühlen zu beruhigen. Wenn wir z.B. heute mal auf Fleisch verzichten oder mit dem Rad zur Arbeit fahren, fühlen wir uns direkt hilfreich /klimaengagiert / besser – das Verhalten steht aber in keinem Verhältnis zur Dimension des Problems.
aus dem Vortrag „Klimagefühle“ mit Lea Dohm und Mareike Schulze von Psychologists for Future. https://www.youtube.com/watch?v=EK3t2Fp3Ncc
Leicht gestresst ob dieser neuen Erkenntnis durchforste ich meine Lieblingsaktionen und überlege, wo ich in diese Falle getappt sein könnte.
Sind Wiese und Sense überhaupt klimawirksam?
Wie wirksam/nachhaltig ist die Aktion Sensenmähen wirklich? Außer, dass ich meinen Body bewege, meine Seele streichle und den Geist erquicke. Das würde schon reichen, wenn es nur um mich ginge. Geprüft wird die Nachhaltigkeit meiner Aktion, und deswegen lasse ich mal alles weg, was Sensenmähen für mich selbst tut und recherchiere, was es zum Klimaschutz beiträgt.

Rasenmäher sind Killer und Dreckschleudern
Pro Betriebsstunde braucht ein Rasenmäher ca. 1 Liter Benzin. Bei einem Rasentraktor lese ich etwa einen Verbrauch von 1,5 Liter pro 1000 m². Um Bäume, entlang der Zäune und auf Böschungen wird noch Motorsense/Rasentrimmer und so weiter benötigt. Wenn ich pro Jahr in meinem Garten etwa 20 Liter Sprit verbrauche, spare ich beim Umstieg auf die Sense eigentlich grad mal eine größere Autofahrt ein. Da ist einmal öfter Zugfahren eigentlich klimawirksamer, oder? Wenn ich nur auf den laufenden Betrieb schaue, könnte es knapp werden mit der Klima-Wirksamkeit meiner Sense. Aber…
Gewöhnlich wird Wiese derart intensiv gemäht, dass sich immer weniger Wurzelmasse bildet bzw. diese sogar zurückgebildet wird. Spätestens dann wird es Zeit für die Sprenkelanlage. Die Fähigkeit, Boden zu bilden und Wasser zu speichern nimmt ab, ebenso die Klimaschutzfunktion. Und die biologische Vielfalt geht zu Grunde. Umgekehrt können artenreiche Wiesen die Struktur beschädigter Böden auch wieder aufbauen. Das ist eine gute Botschaft.
Sensenmahd fördert, wie auch die maßvolle Beweidung, den Artenreichtum. Im Infosperber lese ich eine gute Zusammenfassung über die Klimawirksamkeit von artenreichen Wiesen: Je vielfältiger die Pflanzengesellschaften und je mehr Bodenorganismen wie Bakterien und Pilze vorhanden sind, umso besser nehmen die Böden Nährstoffe auf und desto mehr Biomasse entsteht. Der meiste Kohlenstoff wird in den oft meterlangen Wurzelsysteme gespeichert, die bis tief in den Boden reichen. Kurz gesagt: Böden speichern CO2. Bonusfaktor: verlangsamter Wasserabfluss, weniger Erosion, weniger Überflutungen.
Ein Holzstiel, ein Blatt, ein Wetzstein
Das Sensenblatt wird aufwändig und mit viel Handarbeit in vielen Zwischenschritten aus Metall geschmiedet. Das passiert z.B. bei Schröckenfux in Oberösterreich (siehe Imagefilm des Unternehmens), es ist sehenswert. Sensenwerke sind aber definitiv energieintensiv, und es sind früher Wälder für sie gefallen. Verglichen mit den globalen und energiefressenden Prozeduren bei den Motorgeräten sind es freilich Peanuts. Bei der Nachverfolgung der Produktions- und Transportwege von Benzin- wie Elektromäher wird mir klar: Rasenmäher sind nichts für Leute, die CO2 einsparen möchten. Ich habe es auch mit einer Materialvielfalt zu tun, die ich als Laie schwer überblicke. Beim Mikroplastik im Boden aus Rasentrimmern reißt mir der Faden. Klimafit stell ich mir anders vor für den Hausgebrauch.
Wo andere vom Rasenmäher bis zum Minitraktor alle technischen Revolutionen mitgemacht haben, um endlich auf Rasenroboter umzurüsten, bin ich noch immer bei Holzstiel, Blatt und Wetzstein. Mein Fazit: Sensen bestehen den Klimacheck. Weil sie langlebig und plastikfrei sind, oberösterreichische Sensen regional produziert werden und das alles zusammen mehr als nur banale Einsparung ist.
Stell dir vor, wie viele Kleingärten, Vorgärten, Miniwiesen, Randsteifen es alleine in Linz gibt, gepflegt von tausenden Motoren. Da schlummert Sensenpotential. Ab hier kommst du ins Spiel. Lern Sensenmähen, steig auf Wiese um, tu es für dich selbst und mit deinen Nachbarinnen, knüpf dich ins Wiesennetz und baue an der artenreichen und emissionsarmen Zukunftsversion von Linz.