E wie evangelisch!

Leberblümchen und Buschwindröschen blühen im März vor der Versöhnungskirche

Die Wiese um das Apfelbäumchen – Zeichen der Hoffnung

Meistens neige ich dazu, die Gärten, die ich betrete, sofort auf verschiedene Aspekte abzuklopfen: was können sie, für die Vögel, für Insekten, wie ist die Raumaufteilung, gibt es Wasserstellen, usw. Kann anstrengend sein, wenn sich Vorstellungen am Erlebten reiben. Im Garten fallen lassen und genießen ist doch schön und so wichtig. Die Erwartungen an einen Garten sind unterschiedlich, und während sich manche beim Anblick eines Maulwurfshügels oder einer kniehohen Wiese gar nicht wohlfühlen, ist es bei mir genau umgekehrt. Den „richtigen“ Garten gibt es nicht, weil jeder ihn mit anderen Bedürfnissen besucht. Sagt ein Mensch. Und der hat doch im Garten Macht über Leben und Tod.

Mit besonderer Vorsicht nähere ich mich dem Kirchengarten. Ich sehe einen Mann zum Grab seiner Frau gehen, mit Blumen, und in der freien Urnennische daneben bauen die Kohlmeisen. Da düsen Kinder nach dem Gottesdienst um die Kirche und spielen Verstecken, wo das Grundstück mit Sträuchern eingerahmt ist, die zugleich einen Sichtschutz zum benachbarten Swimmingpool bieten. Dort wachsen Rosen und Wacholder und Christrosen. In der Nisthilfe haben Wildbienen und Grabwespen Nachwuchs hinterlassen, hinter einem Verschluss aus Harzkügelchen und Sand. Kein Garten ist für mich mehr aufgeladen mit Symbolik und Hoffnung.

Hier im Kirchengarten treffe ich auch zwei Frauen, die das komplexe Gebilde Kirchengarten samt dem begrünten Kirchendach im Gleichgewicht halten, und es sind wahrlich Könnerinnen.

Genau hier noch eine wilde Wiese, die mit der Sense gemäht wird? Ich gehe zum Pfarrer, und er sagt einfach: ja.

Sicherheitshalber lese ich noch einmal die ersten zwei Seiten der Bibel, die uralten Geschichten, die darin verwoben sind, beschäftige mich ein bisschen mit ökologischer Theologie und der Ethik der Mitgeschöpflichkeit. Und wieder gebe ich auf, alles zu verstehen, und lege für mich zurecht: ich bebaue einen Garten und werde ihn bewahren. Und am Ende soll mehr dort sein, als vorher, was für mich ganz konkret heißt: mehr Tier- und Pflanzenarten.

Ich fange also an, die alte Grasnarbe an ein paar Stellen umzubrechen, ziehe an Wurzeln, rette Regenwürmer und Engerlinge, und bereite ein Bett für neuen Blumenwiesen-Samen. Damit die Wildblumen ein bisschen einen Vorsprung kriegen. Stelle mir all die Insekten vor, die im Sommer ordentlich Futter kriegen, die Vogelkinder und Fledermäuse, und plötzlich kriegt das Beet die Form eines E`s. E wie evangelisch. Ich lass es so. Noch säen und anwalzen, und dann warten auf Regen, und auch ein bisschen Bangen, ob auch alles wachsen wird.

Natürlich hat der Kirchengarten auch sein Apfelbäumchen. Um dieses Bäumchen entsteht nun die Wildblumenwiese, mitten in einer besonders stürmischen Zeit mit Krieg und sozialer Ungleichheit und Artensterben.

Geschöpf. Was für ein starkes Wort.

…den Garten bebauen und bewahren

1. Mose 2,15

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